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Smarte Rohbauzellen für einen synergetischen Hochlauf elektrifizierter Fahrzeuge

Projekt

Ausgangssituation

Deutsche Automobilhersteller bieten bereits ein breites Spektrum an elektrifizierten Fahrzeugen an und erweitern dieses zudem fortlaufend. Dabei kommen unterschiedliche Antriebskonzepte wie Plug-in-Hybride, batterieelektrische Fahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge zum Einsatz. Bei dem in Deutschland derzeit überwiegend verwendeten Conversion Design Ansatz wird die Karosserie eines vorhandenen konventionellen Modells angepasst, um die Anforderungen des jeweiligen elektromobilen Antriebskonzeptes zu erfüllen. Die angepassten Karosserien laufen aufgrund der derzeit noch geringen Stückzahlen aus Wirtschaftlichkeitsgründen gemeinsam mit ihren konventionellen Derivaten durch die Gewerke. Die Karosseriestruktur hängt aufgrund von Packaging-, Leichtbau-, Sicherheits- und Steifigkeitsanforderungen hochgradig vom Antriebsstrang ab, wodurch im Gewerk „Rohbau“ hohe Komplexität besteht.

Die aktuell im Karosserierohbau zum Einsatz kommenden starr verketteten Anlagen sind für ein Modell und einen bestimmten Betriebspunkt ausgelegt und lassen in Geometrie und Werkstoffen nur geringfügig abweichende Varianten zu. Die Verwendung gemeinsamer Anlagen für die Fertigung von Karosserien für konventionelle und elektrifizierte Antriebsstränge führt daher zu zunehmenden Störungen, beispielsweise aufgrund abweichender Taktzeiten, Geometrieunterschieden und verwendeten Fügetechnologien.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, ein Verfahren für die Integration von E-Fahrzeugen in bestehende Produktionssysteme für konventionelle Fahrzeuge zu entwickeln und damit die beschriebenen Störungen in der Produktion zu beheben. Dadurch soll die wirtschaftliche Produktion von Karosserien für den mit Hinblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen frei skalierbaren Modellmix aus konventionellen und elektrifizierten Fahrzeugen sichergestellt werden.

Um dies zu erreichen, ist ein Paradigmenwechsel im Gewerk „Rohbau“ nötig, analog zum vergangenen Übergang von klassischen, starr verketteten Transferstraßen in der Zerspanung hin zum Einsatz von aus parallelisierten Bearbeitungszentren aufgebauten agilen Fertigungssystemen. Mithilfe einer zu entwickelnden modularen Rohbauzelle soll die starre Verkettung im Rohbau aufgelöst und durch ein System aus universell einsetzbaren Rohbauboxen abgelöst werden.

Vorgehensweise

Das Forschungsprojekt gliedert sich in 5 Arbeitspakete:

Arbeitspaket 1: Konzeption einer modularen Rohbauzelle

In Arbeitspaket 1 soll eine Rohbauzelle konzipiert werden, in der ein Submodul der Karosserie für ein Modell unabhängig vom Antriebskonzept gefertigt werden kann. Der Einsatz eines flexiblen fahrerlosen Transportsystems erlaubt die Auflösung des Taktes und der starren Materialführung. Die Flexibilität innerhalb der Rohbauzelle wird mithilfe von plug&produce-fähigen Greif- und Spannsystemen und wechselbaren Fügeköpfen realisiert. Alternative Fügeverfahren wie Remote-Laser-Welding oder Bolzensetzen bieten darüber hinaus Wandlungsfähigkeit. Im Rahmen einer virtuellen Inbetriebnahme werden die in Arbeitspaket 2 und Arbeitspaket 3 zu entwickelnden Schlüsseltechnologien zur Konzeptabsicherung hier integriert. Zudem sollen Freiräume und Anforderungen an die Entwicklung zukünftiger Karosserien definiert werden.

Arbeitspaket 2: Entwicklung von plug&produce-fähigen Vorrichtungen und Flex-Fügeköpfen

Das Ziel von Arbeitspaket 2 ist die Entwicklung von intelligenten Spann- und Greifsystemen sowie von plug&produce-fähigen Fügeköpfen. Die Spann- und Greifsysteme sollen die automatisierte Positionierung von den Fügepartnern ermöglichen. Die Herausforderung besteht darin, gesamte Karosseriemodule in einem großen Arbeitsraum mit hoher Genauigkeit zu positionieren. Aufgrund unterschiedlicher Werkstoffe und Dicken der zu fügenden Bleche muss das Fügeverfahren oft gewechselt und daher in der Rohbauzelle vorgehalten werden. Die dafür zu entwickelnden plug&produce-fähigen Fügeköpfe müssen selbstständig mit dem Roboter kommunizieren können und ohne weitere manuelle Schritte einsatzbereit sein (ähnlich USB-Stick). Dazu ist die Verwendung einheitlicher Schnittstellen und Kommunikationsstandards erforderlich, welche Vorarbeiten für eine Standardisierung und Normierung darstellen.

Arbeitspaket 3: Entwicklung von integrierbarer Mess- und Prüftechnik sowie robusten Qualitätsregelkreisen und dynamischen Qualitätsstrategien

Das Ziel von Arbeitspaket 3 besteht darin, intelligente Qualitätssicherungsstrategien zu entwickeln, die eine 100%-Prüfung aller qualitätskritischen Merkmale der jeweiligen Derivate ermöglicht. Darüber hinaus soll eine dynamische Messtechnik- und Messzeit-Anpassung umsetzbar sein und zukünftige Prüfpläne antizipiert werden. Dafür ist eine modulare Sensor- / CPS- und Messtechnikeinsatzplanung zu entwickeln, die sich flexibel an die unterschiedlichen Derivate und Freiheitsgrade (z.B. verfügbare Messzeit oder Schnittstellen) anpassen kann, ohne die notwendige Durchlaufzeit zu erhöhen.

Arbeitspaket 4: Entwicklung eines dezentralen Steuerungs- und Logistikkonzepts für Einzelstückfluss trotz Taktauflösung im Rohbau

In Arbeitspaket 4 soll ein neues Steuerungs- und Logistikkonzept zur Ausschöpfung der durch die Taktauflösung entstehenden Freiheitsgrade unter Nutzung des Enablers Industrie 4.0 entwickelt werden. Mithilfe einer Simulation werden die Kommissionierzonen ausgelegt sowie die Anzahl der benötigen FTS und der benötigten Vorlaufzeit für die Supply Chain ermittelt und für unterschiedliche Lastszenarien abgesichert. Zu entwickelnde IT-gestützte Assistenzsysteme für die sinnvolle Reduktion des Informationsangebots sollen die Komplexität für Planer und Werker transparent gestalten und die Akzeptanz des stochastischen Systems bei Betriebsrat und Management sicherstellen. Der vorgesehene Paradigmenwechsel soll auch durch ein aufgabenorientiertes Schulungsmodul für die Mitarbeiter unterstützt werden.

Arbeitspaket 5: standardisierte Wirtschaftlichkeitsbewertung und übertragbare Implementierungsstrategien

Ziel von Arbeitspaket 5 ist die Entwicklung eines IT-Tools zur Planung und Bewertung von Produktionssystemen bestehend aus den entwickelten Rohbauboxen. Basis des Tools ist eine Simulation, die sowohl das Konzept der Rohbauzelle als auch deren flexible Verkettung mithilfe von FTS sowie der entwickelten Messtechnik abbildet und somit das Gesamtkonzept simulativ absichert. Das Tool befähigt den Anwender dazu, die Boxen incl. deren Magazine für Greifer und Schweißzangen zu dimensionieren und szenarienabhängig den optimalen Mix aus vorgehaltener Flexibilität und vorgedachter Wandlungsfähigkeit ermittelt. Auf Basis von Simulationsstudien wird ein Handlungsleitfaden erstellt, der nachvollziehbar und standardisiert auf einzelne Submodulfertigungsbereiche eines Rohbaus angewendet werden kann.