Teilprojekt C5: 2-Komponenten-Pulverspritzgießen in Mikrodimensionen (2C-MicroPIM)

Übersicht

Motivation

Ziel des Teilprojektes C5 ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen des Zweikomponenten-Pulverspritzgießens in Mikrodimensionen (2C-MicroPIM) zu erarbeiten. Dabei sollen durch einen Urformprozess sowohl feste als auch lose Verbindungen zweier unterschiedlicher Werkstoffe in einem einzigen Mikrobauteil realisiert werden. Mit den Arbeiten soll das Prozessverständnis erweitert werden, sodass ein 2C-MicroPIM-Prozess verwirklicht wird, mit dem der Handhabungs-, Justage- und Montageaufwand für Mikrosysteme aus hochbelastbaren Materialien reduziert und eine erhöhte Integrationsdichte und Funktionalität erzielt werden kann.

Mit dem 2K-Mikropulverspritzgießen könnten die Grundlagen für ein breites Anwendungsspektrum komplexer Mikrobauteile erschlossen werden. Durch die Kombination unterschiedlicher Metalle oder Keramiken in einem Mikrobauteil würde das 2C-MicroPIM die Herstellung von Systemkomponenten mit verschiedenen Funktionen in großen Stückzahlen ohne anschließende Füge- oder Montagearbeiten erlauben. Es ließen sich in einem Mikrobauteil für unterschiedliche Beanspruchungszonen unterschiedliche mechanische, chemische und physikalische Eigenschaften beispielsweise in einem festen Werkstoffverbund realisieren. Während das Spritzgießen loser Verbindungen, wie Lager, Gelenke und Scharniere derzeit nur mit Polymeren durchgeführt werden kann, soll mit den Arbeiten des Teilprojektes C5 das Anwendungsspektrum des 2C-MicroPIM auf deutlich stärker beanspruchbare Werkstoffe (Metalle und Keramiken) ausgeweitet werden.

Arbeiten

Das Teilprojekt C5 enthält vier wesentliche Aufgaben:
  • Werkzeugtechnik:
    Nach der erfolgten Konzeptentwicklung wird ein Spritzgießwerkzeug gebaut, um eine feste Keramikverbindung zwischen einem Zahnrad aus ZrO2 und einer Welle aus Al2O3 verwirklichen zu können. In einem zweiten Schritt soll das Werkzeug so modifiziert werden, dass bewegliche Verbindungen zwischen Zahnrad und Welle realisiert werden können.
  • Prozessentwicklung zum 2C-MicroPIM:
    Erforschung und Charakterisierung der Fügezone in der Verbindungszone im Grünling, des Verhaltens in dieser Zone während dem Entbindern und der Ausbildung der Zone und der Werkstoffgefüge beim Sintern der zweikomponentigen Bauteile.
  • Entwicklung fester Verbindungen:
    Untersuchung, ob sich unter Nutzung des Unterschieds im Sinterschrumpf zweier Feedstocks ein Schrumpfsitz (Zahnrad auf Welle) realisieren lässt. Auslegung der Prozessparameter auf Basis von Versuchen an Probekörpern. Das Zahnrad (ZrO2) soll einen stärkeren Sinterschrumpf erfahren als die Welle (Al2O3).
  • Entwicklung beweglicher Verbindungen:
    1.: Realisierung eines Zahnrads aus Zirkoniumoxid auf einer Welle aus Al2O3durch Anpassung des Schrumpfmaßes der Feedstocks. Hierbei soll die Annahme überprüft werden, dass sich ZrO2 und Al2O3auch in Mikrodimensionen nicht verbinden, selbst wenn das Schwundmaß beider Oxidkeramiken nahezu identisch eingestellt wird. Dies würde zu einer signifikanten Verkleinerung des Lagerspaltes führen.
    2.: Untersuchung, ob sich zwei Feedstocks mit unterschiedlichen Füllgraden an Stahlpulver 17-4PH durch geeignete Parameter während den thermischen Prozessschritten unter Nutzung der unterschiedlichen Sinterschrumpf-Ausmaße voneinander lösen, sodass das Zahnrad auf der Welle abrollen kann (d.h. keine punkt- oder linienförmige, feste Verbindung des Zahnrads zur Welle).

Ergebnisse vorangegangener Arbeiten:
  • Vorversuche zur Verbundfestigkeit flacher Bauteile (33 x 4 x 6 mm3) aus einer gleichdicken Schicht aus ZrO2- und Al2O3-Keramik: Die zwei Komponenten der bei einer Maximaltemperatur von 1550 °C gesinterten 2-K-Bauteile zeigen eine Haftung, wobei an der Phasengrenze ZrO2/Al2O3 nur innerhalb eines Abstandes von 5 m der Grenzfläche eine geringe Diffusion der Komponenten festzustellen ist. Bei 1650 °C sind Schwankungen des Y-Gehaltes innerhalb der ZrO2-Keramik nachweisbar, die aufgrund der Abhängigkeit der Umwandlungsverstärkung vom Y-Gehalt zu einer Verschlechterung des Bauteilverhaltens führen können. Aufgrund der Unterschiede im Sinterschrumpf zeigen die gesinterten Bauteile zudem eine deutliche Aufwölbung (Abb. 1 und 2).
  • Konzeption und Konstruktion eines 2-Komponenten-Werkzeugs zur Herstellung einer festen bzw. losen Verbindung zwischen der Welle und der Nabe: Die Geometrien wurden an das aktuelle Demonstratordesign (konz2c) mit Planetendurchmesser von ca. 2,2 mm angepasst. Eine Variabilität durch wechselbare Formeinsätze und Auswerferstifte ist gegeben.
  • Anspritzung des Zahnrades: Es wurden die Vor- und die Nachteile unterschiedlicher Angussvarianten (dezentraler Punktanguss, Schirmanguss und Anguss über zwei C-Bögen) gegenübergestellt. Das Angusskonzept mit zwei C-Bögen scheint für die weiteren Arbeiten am meisten vorteilhaft zu sein. Obwohl durch die zwei Fließfronten eventuell zwei Bindenähte auftreten könnten, überwiegen die Vorteile dieser Variante (einfache Fertigung des Anguss-Systems, kurzer Entformungsweg für den Anguss und größerer Anschnitt als beim Punktanguss). Der Einfluss der Bindenähte kann durch das Variothermverfahren reduziert werden, wobei mit einem eventuellen Verzug beim Sintern zu rechnen ist.
  • Bestimmung der Spritzgießabfolge: Voraussetzung: die erste der eingespritzten Feedstocks muss hoch- die zweite niedrig-schmelzend sein. Wird als erste Komponente das Zahnrad gewählt, und als zweite Komponente die Welle, so schwindet das Zahnrad nicht auf die Welle und es ist eine freie Gestaltung der Wellen-Naben-Verbindung zwischen Zahnrad und Welle möglich. Für die Welle sind bei dieser Abfolge die Verwendung einer niedrigviskosen Formmasse und die Durchführung des Variothermprozesses notwendig. Die Binderabfuhr aus der Welle erfolgt bei diesem Konzept über die Spalte im Bereich der Stirnfläche des Zahnrads (siehe Abbildung). Mit einer erfolgreichen Feedstockentwickung in Kooperation mit den Teilprojekt B1 des SFB 499 könnten die Schwierigkeiten bei dieser Spritzgießabfolge minimiert oder beseitigt werden.
  • Betrachtungen zur thermischen Ausdehnung und Schrumpfung der Werkstoffe: Für die Realisierung einer beweglichen und einer festen Welle-Nabe-Verbindung müssen die thermische Ausdehnung und die der beiden Komponenten betrachtet werden. Zu diesem Zweck wurden dilatometrische Untersuchungen an ausgewählten ZrO2- und Al2O3-Pulvern durchgeführt. Dabei setzte der Sinterschrumpf des ZrO2-Pulvers PYT05.0-005H der Firma Unitec Ceramics Ltd. vergleichsweise spät ein und zeigte eine verlangsamte Schrumpfungsgeschwindigkeit. Das Al2O3-Pulver RC UFX-DBM beginnt dahingegen früher zu sintern und zeigt eine etwas schnellere Schrumpfungsdynamik. Eine Materialpaarung aus diesen beiden Pulvern wäre somit vorteilhaft für die Realisierung einer beweglichen Verbindung. Das ZrO2-Pulver von Tosoh mit der Bezeichnung TZ-3YS-E zeigt während des Sinterns im Vergleich zu den Al2O3-Presslingen eine schnelle Schrumpfungsdynamik und ein hohes Schrumpfmaß. Dieses Pulver ist gut für die Feedstockherstellung zur Abspritzung des Zahnrades geeignet. Aufgrund der Schrumpfungsdynamik kann das Zahnrad leicht auf die Welle aufschrumpfen, sodass sich das Tosoh-Pulver gut eignet für die Herstellung einer festen Verbindung. Gegebenenfalls kann eine Anpassung des Pulverfüllgrades durchgeführt werden, etwa um zu Verhindern, dass das Schrumpfmaß des Zahnrades eine kritische Grüße überschreitet und es aufgrund der Spannungsverhältnisse zum Bauteilversagen kommt (Abb. 5).
  • Feedstockentwicklung: Es wurden Feedstocks auf Basis der Al2O3-Pulver RC UFX-DBM (Baikowski Malakoff Inc.) und Alcoa CT3000SG sowie der ZrO2-Pulver Tosoh TZ-3YS-E und Unitec Ceramics Ltd. PYT05.0-005H entwickelt und getestet. Messungen der Drehmomente während der Compoundierung der Formmassen belegen eine gute spritzgießtechnische Verwertbarkeit auch bei höheren Pulverfüllgraden. Die Zugabe von Stearinsäure verbessert die Verarbeitbarkeit des Feedstocks ebenfalls. Des Weiteren wurden Versuche zum Haftungsvermögen von Feedstocks mit unterschiedlichen Bindersystemen nach Teilentbindern durchgeführt. Dabei wurden Kombinationen mehrerer ZrO2-Feedstocks auf Basis unterschiedlicher Binder getestet. Die Kombination eines innerhalb des SFB 499 entwickelten Feedstocks (GoMicro) mit einem kommerziellen Licomont-Feedstock ohne Stearinsäure zeigt kein bzw. geringes Haftvermögen Während diese Kombination demnach geeignet wäre für die Realisierung einer beweglichen Verbindung, sind die übrigen getesteten Paarungen aufgrund des Haftungsvermögens eher für die Erzeugung einer festen Verbindung geeignet.

Stand: aktuelle Arbeiten und Ergebnisse:
  • Werkzeugaufbau: Bau und Inbetriebnahme eines Indexplatten-Werkzeugs mit wechselbaren Formeinsätzen liefen erfolgreich. Variothermer Prozess und Nest-Evakuierung sind möglich. Der Aufbau weist zwei Heißkanäle auf, sowie eine extern angesteuerte, elektrische Auswerfereinheit für niedrige Auswerfergeschwindigkeit (Abb. 6).
  • 2K-Bauteile (Welle-Nabe-Verbindungen) können mit der vorhandenen Werkzeugtechnik und den neu entwickelten Feedstocks hergestellt werden.
  • Erfolgreiches Sintern der 2C-MicroPIM-Bauteile: Feste Welle-Nabe-Verbindungen konnten realisiert werden.

FAZIT: Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass einige der getesteten Keramikpulver und Feedstocks für das 2K-Mikropulverspritzgießen geeignet sind. Polymermusterteile und erste 2K-Keramikbauteile (feste Verbindung) konnten abgeformt und gesintert werden (Abb. 7).

Abbildungen

Abbildung 1: Gesinterte 2K-Bauteile. In Vorversuchen zeigen die zwei Oxidkeramiken beim Sintern (T = 1550 °C) trotz identischer Füllgrade unterschiedliche Schwundmaße. Dies führt zur Aufwölbung der Bauteile.

Abbildung 2: REM-Aufnahmen (oben) und Elementverteilungen von Zr, Al und Y an der Phasengrenze (unten) nach dem Sintern bei einer Maximaltemperatur von 1550 °C bzw. 1650 °C.

Abbildung 3: Anpassung der Geometrien an das aktuelle Demonstratordesign (konz2c) mit Planetendurchmesser von ca. 2,2 mm: Eine Variabilität ist durch wechselbare Formeinsätze und Auswerferstifte gegeben.

Abbildung 4: Angusskonzept mit zwei C-Bögen Der Einfluss der Bindenähte kann durch das Variothermverfahren reduziert werden.

Abbildung 5: Dilatometerkurven diverser ZrO2- und Al2O3-Presslinge.

Abbildung 6: 2C-Micro-PIM-Werkzeug.

Abbildung 7: 2K-Bauteile (Welle-Nabe-Verbindung) im Grünlings- (1. und 3. Bauteil) und im gesinterten Zustand (Mitte).