Teilprojekt B1: Formmassenentwicklung für das 1K- und 2K-Micro-Pulverspritzgießen

Übersicht

Motivation

Für das Pulverspritzgießen werden hochgefüllte Formmassen aus einem Gemisch aus Metall- oder Keramikpulver und organischem Binder zur Formgebung verarbeitet.
Die Hauptziele des Teilprojektes B1 in der laufenden Phase des SFB 499 umfassen die Entwicklung und systematische Untersuchung von Formmassen für das Einkomponenten-Mikropulverspritzgießen (MicroPIM) und die Neuentwicklung und Optimierung von Feedstocks für das Mehrkomponenten-Mikropulverspritzgießen (2C-MicroPIM).

Die Ergebnisse der bisherigen Phasen zeigen, dass abhängig von der Bauteilgeometrie eine Optimierung der Formmassen hinsichtlich Pulverfüllgrad, Fließeigenschaften und Schwindungsverhalten notwendig ist, um optimale Abform- und Sinterergebnisse erzielen zu können. Gerade die Weiterentwicklung des Pulverspritzgießens hin zum Mehrkomponenten MicroPIM erfordert alternative Binder um lose und feste Verbunde gezielt mit unterschiedlichen Materialien einstellen zu können. Hierfür werden in dem Teilprojekt Bindersysteme auf Basis von Reaktionsharzen, Thermoplast-Wachs-Kombinationen und wasserlöslichen Binderkomponenten entwickelt.

Ein weiterer zentraler Punkt des Teilprojektes ist die Charakterisierung und Modellierung der Formasseneigenschaften für die Simulation in Teilprojekt A4. Hierfür werden rheologische und thermische Materialdaten bestimmt (Scherviskosität, linear-viskoelastische Eigenschaften, Temperaturleitfähigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Druck-Volumen-Temperatur-Zusammenhang).
Durch die auftretenden extrem hohen Scherkräfte während der Formfüllung von mikrostrukturierten Bauteilen können Separationen zwischen Pulver und Binder auftreten. Dies führt zu einer inhomogenen Pulverdichteverteilung in den Grünkörpern, was beim nachfolgenden Entbinderungs- und Sinterprozess zu Verzug oder lokal erhöhter Porosität führen kann. Um diesen Entmischungsmechanismus wissenschaftlich zu durchdringen werden Bauteilcharakterisierungen durchgeführt.

Arbeiten

Die wesentlichen Aufgaben des Teilprojektes umfassen:

  • Verbesserung der Abformbarkeit von Formmassen durch Einsatz von Dispergatoren
  • Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen Dispergatoren, Binder und Pulver
  • Charakterisierung von Formmassen und Mikrobauteilen
  • Aufklärung von Pulver-Polymermatrix-Wechselwirkungen
  • Entwicklung von alternativen Bindersystemen auf Basis von Reaktionsharzen, Thermoplast-Wachs-Mischungen und wasserlöslichen Binderkomponenten
  • Minimierung des Sinterschrumpfs und Reduzierung der Oberflächenrauhigkeit durch den Einsatz nonoskaliger Pulver und bimodaler Pulvermischungen
  • Entwicklung geeigneter Formmassen für das 2-Komponenten Spritzgießen
  • Bereitstellung von größeren Feedstockansätzen aus keramischen (ZrO2, Si3N4) und metallischen (17-4PH, WC/Co)Pulvern für die Arbeiten in Teilprojekt C1 und C5

Stand der Ergebnisse

  • Verbesserung der Abformbarkeit/Wechselwirkung zwischen Feedstockkomponenten: Eine breite Palette von kommerziellen Dispergatoren und oberflächenaktiven Substanzen mit bekannter chemischen Zusammensetzung wurde auf ihre Eignung als Dispergiermittel hin untersucht. Die resultierenden rheologischen Eigenschaften der Formmassen, wie Scherviskosität, linear-viskoelastisches Verhalten und Fließgrenze konnten direkt mit der chemischen Struktur der Additive korreliert werden. Die Ergebnisse der Arbeiten können gezielt genutzt werden, um den Pulverfüllgrad zu erhöhen, die Prozesskette zu vereinfachen, die Maßhaltigkeit zu verbessern und Entmischungen zu reduzieren.
  • Minimierung des Sinterschrumpfs und Reduzierung der Oberflächenrauhigkeit:
    Durch bimodale Pulversysteme lassen sich die Packungsdichte und somit die erreichbaren Pulverfüllgrade signifikant erhöhen. Pulvermischungen aus nanoskaligem Pulver und einem Sub-Mikron-Pulver der Firma Tosoh ermöglichten bei annähernd gleichem Compoundierverhalten und vergleichbaren rheologischen Eigenschaften die Herstellung von Formmassen von 60 Vol.% Pulveranteil im Vergleich zu üblichen 50 Vol.% von reinen Sub-Mikron-Pulver. Dies ermöglicht geringere Sinterschwindungen und eine Verbesserung der Oberflächeneigenschaften.
  • Entwicklung alternativer Bindermaterialien für das 1K und 2K-MicroPIM:
    Auf der Grundlage von Polyestern und Polymethacrylaten konnten reaktionsharzbasierte Bindersysteme entwickelt werden. Formmassen auf Basis von ZrO2 und 17-4PH wurden hergestellt und mit Hilfe eines Reaktionsgießverfahrens (Composit-RIM-Verfahren) in Vorversuchen abgeformt.
    Im Bereich der wachsbasierten Binder wurden alternative thermoplastische Komponenten auf ihre Eignung im MikroPIM hin untersucht.
    Eine neue Verfahrenskette zur Herstellungvon PMMA-PEG-Bindern wurde entwickelt und ermöglicht bei vergleichbaren Pulverfüllgraden die isotherme Abformung mikrostrukurierter Komponenten.
  • Quantitative Aufklärung von Entmischungsvorgängen im MicroMIM:
    In ersten Vorversuchen an den Synchrotronquellen ANKA und ESRF konnten mikrostrukturierte Proben aus hochgefüllten Stahlfeedstocks mit Hilfe der Computer-Tomographie vermessen werden. Die extrem hohen Auflösungen im Submikrometerbereich ermöglichen die Visualisierung einzelner Partikel im Bauteil. Mit Hilfe automatisierter Bildanalyse lassen sich nun lokale Partikeldichten und Partikelverteilung bestimmen. Zukünftige Arbeiten im Rahmen des SFB 499 sollen den Mechanismus von Entmischungen aufklären und die Modellierung im Teilprojekt A4 ermöglichen.

Abbildungen

Abbildung 1: (links) Compoundierverhalten im Messkneter von Formmassen auf Basis von wachsbasierten Bindern. Bei einem konstanten Pulveranteil von 50 vol.% wurde die Menge an zugegebenem Dispergator variiert. Die Folge ist eine drastische Verringerung der Compoundierzeit und der resultierenden Viskosität. (rechts) Durch den Einsatz von kürzer kettigen Fettsäuren lässt sich der maximal verarbeitbare Pulverfüllgrad von Formmassen signifikant erhöhen.

Abbildung 2: Durch den Einsatz von optimierten Dispergatoren und bimodalen Pulvermischungen aus sub-ยต und nanoskaligem Pulver lässt sich der Pulveranteil von Formmassen deutlich erhöhen. Die resultierenden Eigenschaften wie Compoundierverhalten (links) und Viskosität (rechts) sind vergleichbar zu Standard-Formmassen mit 10 vol.% weniger Pulver.

Abbildung 3: Mit Hilfe von alternativen Bindern auf Basis von Reaktionsharzen lassen sich über das Composit-RIM-Verfahren Mikrostrukturen aus ZrO2 herstellen. Das obere Bild zeigt den Grünling und das untere Bild das gesinterte Bauteil.

Abbildung 4: Mit Hilfe der Synchrotron-CT (Prinzip links) an ANKA und ESRF und automatisierter Bildanalyse lassen sich die lokale Partikelverteilung in mikrostrukturierten Grünlingen (hier Mikrobiegeprobengeometrie) bestimmen. Das Gradientenbild (rechts) zeigt lokal die Partikeldichte senkrecht zur Fließrichtung der Formmasse. Deutliche Dichteunterschiede von über 10 Vol.% sind erkenntlich. An den Rändern der Probe, wo während der Formfüllung die höchsten Scherrungen des Materials auftreten, resultieren die geringsten Partikeldichten. Die massiven Unterschiede können zu Verzügen bzw. lokal erhöhter Porosität im Bauteil führen.